"Sie sind sehr gut gefahren."

Prüfungstag! Ein emotionaler Mix aus „Oh, Gott“ und „Juchu, endlich„. Die Nacht habe ich sogar erstaunlich gut geschlafen. Aber ich bin seit Tagen gedanklich etwas einseitig dabei. Mein Karma für die Prüfung sollte positiv sein. Also nicht: „Na, toll, mal sehen, womit mich der Prüfer reinlegen will.“ Sondern: „Heute zeige ich dem Prüfer, dass ich ordentlich gelernt habe, und hole mir meinen Führerschein.“ Positives Selbstbewusstsein sozusagen. Und irgendwie ist es ja auch nicht das böse Ende, sondern das Ziel der ganzen Ausbildung. Also warum Angst haben. Jens sagte mir auch, dass er niemanden in die Prüfung schickt, den er nicht für absolut fit hält. Da sollte man schon ein wenig Vertrauen in den Fahrlehrer haben, dass er das gut beurteilen kann.

Den großen Gürtel mit der Aufschrift „Fahrschule“ gab’s heute also nicht mehr. Eigentlich schade, denn damit waren die anderen Verkehrsteilnehmer unheimlich zuvorkommend zu mir. Oder bilde ich mir das nur ein? Ich erinnere mich noch gut an den vermutlich leicht verdutzten Autofahrer, der auf der Autobahn mit 160 von mir als Fahrschüler überholt wurde. Normalerweile kennt man Fahrschüler ja eher als unberechenbares massenträges Verkehrshinternis im Stadtverkehr.

Und es sollte hoffentlich das letzte Mal sein, dass ich fremde Männer in meinem rechten Ohr höre. Hoffentlich ist die Stimme auch wirklich weg, wenn das erste Mal alleine fahre. Wahrscheinlich vermisse ich dann die Audiospur und schließe mir erstmal ein Navi ans Ohr an. 🙂

Wir haben uns mittags eine Stunde vor dem eigentlichen Prüfungstermin in der Fahrschule getroffen, damit es nicht zu hektisch wird. Dann sind wir gemütlich zum Startpunkt der Prüfung gefahren (Fegro-Markt in Oststeinbek) und haben unterwegs noch mal den Luftdruck der Reifen an der Tankstelle überprüft. Eine halbe Stunde vor Prüfungsbeginn waren wir also vor Ort und Jens hat uns noch einen Kaffee spendiert. Dort gab er auch noch ein paar Last-Minute-Informationen zu technischen Fragen, die der Prüfer stellen kann. Welche Beleuchtungseinrichtungen gibt es vorne und hinten? Ist die Kette richtig gespannt? Woran erkenne ich den Stand von Motoröl und Bremsflüssigkeit? Alles natürlich Informationen, die ich auch so schon wusste. Aber wir sind sie noch einmal durchgegangen. Und ich bekam den Tipp, dass es hilft, vor der Abfahrt noch mal Bremsen und Beleuchtung durchzuchecken. „Das kostet wertvolle Zeit und gibt gleich ein paar Pluspunkte beim Prüfer.

Der Prüfer kam pünktlich und guckte mich erst einmal gar nicht an. Dabei waren die anderen Prüfer zumindest an einer Aktentasche zu erkennen. Aber er kam dann doch auf mich zu, ich stellte mich kurz vor und er fragte, ob wir bereit wären, die Prüfung zu machen. Also los zum Motorrad. Am Fahrschulauto fragte er mich noch mal nach Vor- und Nachnamen und meinem Geburtsdatum. Meinen Helm hatte ich noch abgesetzt, weil ich annahm, dass erst noch technische Fragen oder irgendwelche Erklärungen zur Fahrt kommen. „Wollen Sie Ihren Helm für die Fahrt nicht lieber aufsetzen?“, meinte der Prüfer. Oh, geht doch gleich los? Na, klar. Also alles fertig angezogen. Der Prüfer saß auf dem Beifahrersitz bei Jens im Auto. Über Funk wurde ich gefragt, ob ich bereit wäre. Daumen hoch. Die erste Anweisung war, vom Parkplatz zu fahren und links abzubiegen. Die Kreuzung kannte ich ja schon und bin sicherheitshalber nicht zu weit in die Mitte gefahren. Nach einer Weile hielt der Gegenverkehr sichtbar an und ich wollte gerade losfahren. Da sprang die Ampel recht flott um und plötzlich prescht der Querverkehr los. Verdammt. Und ich stehe mitten auf der Kreuzung und der Prüfer hinter mir. Immerhin sah ein ein Autofahrer aus dem Querverkehr das Dilemma, blieb stehen und winkt mich vor. Okay, nicht ganz schön, aber Gasgeben und schnell abbiegen. Ich war schon darauf gefasst, dass der Prüfer die Fahrt abbricht, weil das zu gefährlich war. Aber es war still im Funk. Die erste Situation hat mich also schon mal völlig gestresst. (Nachträglich sagte der Prüfer, dass ich da auch keine andere Wahl gehabt hätte und richtig reagiert habe.)

Dann hatte ich gewisses Glück, denn nach einer Fahrbahnverengung fuhr ein Laster zwischen mich und den Fahrschulwagen. So fühlte ich mich also ein paar Minuten lang nicht beobachtet. Es ging durch Oststeinbek nach Osten bis nach Glinde. Bis über Funk dann die Anweisung kam, die nächste Straße links abzubiegen (ich glaube, es war in Glinde). Hier ging es durch eine 30er-Zone. Rechts-vor-links hatte ich dort lustigerweise nie. Am Ende der Straße gab es ein STOP-Schild. Also brav korrekt angehalten, in Ruhe geguckt und dann weiter. Irgendwann kam auch eine Ampel mit einem Grünpfeilschild. Und die Ampel war natürlich rot. Also bis zur Haltlinie – angehalten. Auf Fußgänger- und Radfahrer achten. Dann langsam weiterrollen bis zur Straße. Wieder anhalten. Alles korrekt gemacht. Als erfahrenen Autofahrer kann einen sowas ja eigentlich gar nicht erschrecken – aber trotzdem denkt man in der Prüfung über jedes Detail nach.

Über Umwege kamen wir dann auf eine Kraftfahrstraße (müsste die K80 gewesen sein) und wir sind bis zur nächsten Ausfahrt gefahren. Zwischendurch konnte ich auch mal zeigen, dass ich 100 km/h fahren kann, ohne wegzufliegen. Aber die meiste Zeit war ein gemütlicher PKW-Fahrer mit 80 Sachen im Weg, der vor mir hertrödelte. Überholen ging dort auch nicht. Auf der Autobahn waren wir dafür nicht, also konnte ich leider auch dort nicht zeigen, wie toll ich Brummis überholen kann.

Jetzt fuhren wir etwas über die Dörfer. Ein beruhigendes Schild machte mir Mut, dass damit der Teil in der Stadt schon erledigt war: „Stapelfeld – 6km“. Ich bekomme die Route nicht mehr ganz zusammengekratzt. Aber es müsste durch Neuschönningstedt, Stemwarde und Stellau bis nach Stapelfeld gegangen sein. Dann zum Höltigbaum, wo ich die Anweisung bekam, gleich zum Ende der Sackgasse durchzufahren und zwei Kreise links und zwei Kreise rechts zu fahren. Erst trödelte ein verträumter PKW-Pilot vor mir herum und konnte sich nicht entscheiden, an welcher Ecke des Kreises er denn seine blöde Schüssel parken könnte. Damit hatte ich auch gleich bewiesen, dass ich Schrittgeschwindigkeit fahren kann. 🙂

Also raus aus dem Kreis und auf Anweisungen warten. Während Jens die Pylonen aufstellte, sollte ich dem Prüfer eine Gefahrenbremsung vorführen. Ich war viel zu forsch und bin mit dem Hinterrad erst mal heftig gerutscht. Aber er fand es anscheinend gut. Dann wenden und den Langsamslalom. Ich dachte noch: „Wenn ich durch die Prüfung falle, dann bestimmt dabei.“ Auf viel konzentriert habe ich mich eigentlich nicht, außer dass ich immer krampfhaft auf den Zwischenraum zwischen den Pylonen geguckt habe und nicht auf die Pylonen. Und siehe da: es klappte beim ersten Mal. Mit dem Fuß habe ich etwas zu heftig gebremst und der Motor war schon etwas am kämpfen. Aber souverän durch, ohne Gas geben zu müssen. Okay, jetzt konnte einfach nichts mehr schiefgehen. Einmal noch Ausweichen aus 50 km/h ohne Bremsen – kein Problem. Dann noch Ausweichen mit Bremsen – auch kein Problem. Und zum Schluß der lange Slalom. Dabei bin ich nicht sehr gleichmäßig gefahren und habe die Schwünge auch etwas zu weit gemacht, so dass meine Vorderradgabel schon ordentlich nach unten ging. Aber Kritik gab es dafür nicht.

Schließlich räumte Jens die Pylonen ein und meldete über Funk: „Stell mal die Maschine da rechts an der Seite ab. Und dann Helm ab zum Gebet.“ Der Prüfer winkte mich zu sich und wurde konkret: „Sie sind sehr gut gefahren. Sie haben bestanden. Herzlichen Glückwunsch.“ Ich bekam meine Plastikpappe zur Kontrolle der Daten in die Hand bekommen. Alles war richtig. Er schrieb das heutige Datum drauf und legte ihn ins Fahrschulauto. „Den bekommen Sie in der Fahrschule, wenn die Tinte trocken ist.“ Er wünschte mir noch eine gute Fahrt und begab sich zu seinem nächste Date – einem wartenden etwas bleichen Fahrschüler, der seine PKW-Prüfung ablegen wollte. So dampfte der Prüfer ab.

Jens gratulierte mir auch und war sichtlich begeistert, dass alles geklappt hat. „Du bist doch super gefahren.“ Auf meine Frage, ob der Prüfer irgendwas zu meinen Aktionen angemerkt hätte, meinte er: „Du hattest den Prüfer gleich am Anfang auf deiner Seite. Du bist sicher und zügig gefahren. Da hatte er schnell alles gesehen, was er sehen wollte.

Nachträglich würde ich sagen, dass man die Prüfung locker besteht, wenn man keine kritischen Fehler mehr in den Fahrstunden vor der Prüfung gemacht hat. Denn in den Fahrstunden kommt zwar noch alles dran, worauf man reinfallen könnte. In der Prüfung aber nur ein kleiner Teil davon. Ich wurde nicht reingelegt, sondern bin eine ganz normale Strecke gefahren, die mir tagtäglich auch so begegnen könnte.

Jens hat mich wirklich super ausgebildet. Und nicht nur für die Prüfung, sondern auch insbesondere für den täglichen Straßenverkehr. Denn der ist definitiv schwieriger als die Prüfung. Die Ausbildung war sehr praxisnah und ich bin heilfroh, nach anfänglichen Schwierigkeiten und einem Fahrschulwechsel einen guten Fahrlehrer gefunden zu haben.

Nach der Fahrschule habe ich erst mal meine Yamaha aus der Garage meines Kollegen abgeholt und bin gleich (mitten im Feierabendverkehr) quer durch Hamburg gefahren. Stop’n’go mit dem Motorrad ist total lästig. Aber es war meine erste Fahrt alleine und hat viel Spaß gemacht. Fazit:

  • 30 Fahrstunden
  • 1 Fahrschulwechsel (nach den ersten 10 Fahrstunden)
  • 0 Stürze
  • 3 Stunden privat auf dem Verkehrsübungsplatz
  • 1500€ für Fahrschule und Gebühren
  • 2 Monate Ausbildungszeit

P.S.: Sorry an alle, die ich während meiner Prüfung nicht gegrüßt habe. Ich gelobe Besserung. 🙂

11 Kommentare zu „"Sie sind sehr gut gefahren."“

  1. Klasse. Nochmal herzlichen Glückwunsch von mir. Ist einfach nur Klasse eine Prüfung nochmal zu lesen. Werde mir meinen Blog-Artikel auch nochmal anschauen. Wieder einer mehr!!! Huchu.

  2. Dankeschön. 🙂 Bin auch sehr froh, dass der Teil meiner Möp-Karriere vorbei ist. Ich hoffe, das Blog hilft dem einen oder anderen (potenziellen) Fahrschüler, sich ein Bild von einer solchen Ausbildung zu machen. Und dass es einem durchaus passieren kann, dass der Fahrlehrer nichts taugt und man mittendrin wechseln muss.

  3. Hallo Christoph,

    herzlichen Glückwunsch zum Schein. Ich werde auf meinem Blog bei nächster Gelegenheit einen Hinweis auf die feine Artikelserie hier anbringen!

    Gruß!
    Marc

  4. Hallo Christoph,

    auch von mir Glückwunsch zum „Lappen“! 🙂 Ich selber werde zwar erst nächstes Jahr meinen machen, aber ich habe mit Begeisterung deinen Blog gelesen. (Habe deinen Eintrag bei MO24.de gefunden)
    Hoffe ich werde einen ebenso gute FL finden und freue mich auf meine ersten Touren durch die Eifel nächsten Sommer. 🙂 Danke für diese schöne Zusammenfassung deiner Ausbildung – Sehr lesenswert mit einer guten Prise Humor.

    In diesem Sinne allzeit gute Fahrt und immer einen Schutzengel auf dem Sozius!!!

    Gruß aus Aachen

    Heartbeat

  5. Bin durch Zufall und mit Hilfe von Google auf dein Blog gestossen und habe ihn mit Freude und nem breiten Grinsen im Gesicht gelesen, denn mir ging es vor 2 Wochen noch aehnlich. Habe auch 14 Jahre nach meinem Atuofuehrerschein noch den Moped-Schein gemacht.
    Deswegen habe ich mich in so vielen von dir beschriebenen Situationen sofort wiedergefunden. Zum Glueck konnte ich den Fahrschulwechsel auslassen da ich mit Glueck gleich den richtigen Fahrlehrer hatte. Auch einen erfahrenen Motorradfahrer.

    Danke fuer deinen Blog und die gute Unterhaltung beim Lesen!

  6. Hallo Christoph,

    herzlichen Glückwunsch! Ich habe mir gerade die ganzen Postings zu deiner Motorradausbildung durchgelesen und es war wirklich amüsant, das Ganze aus Sicht eines Fahrschülers zu erleben. 🙂

    Viel Spaß auf dem Bike und allzeit gute Fahrt,
    viele Grüße

    Bernd

  7. Hey, auch wenn deine Prüfung jetzt schon ne Weile her ist, muss ich deinen blog hier jetzt einfach mal kommentieren. 😛

    Ich hatte am 10.08.09 meine A Prüfung (also zeitnahe mit deiner^^)…aber nur A begr. Naja is ja auch egal^^

    Aber dein gesamter Blog hat mir echt so aus der Seele gesprochen 😛

    Das gemecker von hinten, die Grundfahraufgaben mit kleinen abweichungen (ich habe den Slalom mit Schrittgeschwindigkeit geliebt^^….und den schnellen slalom gehasst)

    Hatte selbst auch nen Blog über die Fahrstunden geschrieben und manchmal echt das Gefühl hier genau das selbe zu lesen was ich vor nem halben jahr auch in meinen geschrieben hatte 🙂

    …Nur habe ich mich mit insgesamt 17 Doppelstunden plus Sonderfahrten etwas doofer angestellt (trotzdem nett zu lesen, dass es auch noch Leute gibt die nicht nur die Sonderfahrten und dann Prüfung haben…wie sie es einem in Foren gerne weißmachen wollen)

    an dieser Stelle…linke Hand zum Gruß und immer auffm Asphalt bleiben 😀

    Vivi

  8. Danke Dir vielmals für diesen super Bericht, ich bin auch grade dabei und obwohl ich ja eigentlich aus dem Ausland schon etwas Erfahrung habe bringen mich die Grundfahraufgaben wie der Schrittslalom schon in Bedrängnis. Praktische Prüfung habe ich in 2 Wochen, wünsche mir Glück! 🙂

    1. Lustigerweise scheint für manche der langsame Slalom die Hölle zu sein – für andere der schnelle Slalom. Bei unserer Fahrschule durfte man mit dem eigenen Krad lernen. Und nach ein paar tausend Kilometern Fahrpraxis würde ich selbst auf unserem schwereren "Eisenhaufen" den Slalom hinbekommen. Aber es dauert schon ein paar Tankfüllungen, bis man entspannt auf dem Bock hantiert und das Gefühl dafür hat. Ich glaube, meine größten Fehler beim Langsamslalom waren, dass ich zu weit hinten gesessen haben (mittlerweile habe ich gelernt, dass man lieber direkt Tankkontakt haben sollte) und mich eher am Krad festgekrallt habe, statt es locker zu steuern. Ich weiß nicht, ob man dieses Gefühl während der paar Stunden in der Fahrschule entwickeln kann.

      Viel Glück jedenfalls. Sollte schon klappen, wenn dein Fahrlehrer dich für fit hält.

  9. Schön dass du und andere Leute auch geschafft haben 🙂

    Naja, einen Motorrad-Schein habe ich zwar nicht, nur für eine 50er, aber einige Aufgaben treffen auch für diese zu (Slalom, Ausweichen, im Kreis fahren, Gefahrenbremsung etc.).

    Ende letzten Jahres fing ich mit Klasse B an, naja, ich hoffe, dass ich mit meinen 33 Jahren die bald kommende Prüfung bestehe, die erweiterte Theorie wurde zumindest mit 0 Fehlerpunkten bestanden. Die nächste Großstadt ist mindestens 20 KM entfernt und die Busverbindung ist auch nicht die beste und ist unflexibel und nicht gerade günstig.

    Ansonsten wünsche ich allen die noch die Fahrprüfung haben, viel Glück und fahrt unfallfrei 🙂

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