Heute hatte ich 3 Stunden Nachtfahrt. Oder heißt es Beleuchtungsfahrt. Naja, passt beides nicht. Um 20:30 Uhr ist es im Sommer noch lange nicht dunkel. Und ich muss ja rechtlich sowieso immer Abblendlicht angeschaltet haben, also war es auch keine Beleuchtungsfahrt. „Na, hast du deine Sonnenbrille dabei? Wir müssen ja im Dunkeln fahren?“ 🙂
Also tuckerten wir los und es war noch eine ganze Weile hell. Ich hab mich stark auf die Schilder konzentriert, weil ich beim Abbiegen immer wieder dazu tendiere, nicht genau an den Straßenrand zu sehen, die Schilder verpenne und dann hilflos herumeier, weil ich nicht weiß, wie schnell man fahren darf. Teilweise war es wirklich schwer zu erkennen, wo eine Einmündung war. Und die Bebauung war so unterschiedlich, dass man in einer Wohngegend manchmal 50 fahren durfte, aber auf einer scheinbar freien Waldstrecke auf der Landstraße nur 30. Irgendwann kamen wir über eine ziemlich enge Straße durch den Wald an Feldern vorbei. Und plötzlich war rechts eine Einmündung. Ich denke noch: „Du legst mich nicht rein, die Straße habe ich gesehen„, und gucke brav nach rechts und fahre dann weiter.
„Dann fahr doch mal rechts ran. So, und jetzt schiebst du das Motorrad zurück zu mir.“ Och, nö, was für ein Schild hab ich denn jetzt übersehen? Also steig ich brav ab und schieb das Motorrad mühsam wankend die ganze Strecke wieder zurück bis zur Einmündung. Die Aktion ist schon ziemlich kindisch. Und noch bevor ich mir meine Standpauke abhole, sehe ich es schon. Rot. Rund. Für Autos und Motorräder ist die Durchfahrt verboten. Außer man gehört zur Gilde der Landwirtschaftler. Da mir die Jedi-Fähigkeiten fehlen, Jens glaubhaft zu machen, dass ich dort zu feldwirtschaftlichen Zwecken dringend da reinfahren musste und mein Krad auch wenig Ähnlichkeit mit einem Traktor hat, stehe ich also doof da. „Hier wäre deine Prüfung dann beendet.“ Ich ärgere mich doppelt. Zum einen über das lächerliche Rückwärts-Rumgeschiebe und zum anderen über meine Dämlichkeit, dieses wenig unscheinbare Verkehrzeichen ignoriert zu haben. Jens beruhigt mich: „Mach dir nichts drauf. Auf dieses Schild fallen 90% der Fahrschüler rein.“ Also fahre ich rechts in die Straße, in die ich eigentlich hätte fahren müssen. Danach bleibt die Fahrt erfreulich ereignislos und trotz schwieriger und teils verwirrender Strecke mit zugewachsenen Vorfahrtstraßenschildern scheint alles zu klappen.
Einmal hab ich eine Einmündung gesehen, die keine war. Ich hab nur ein bisschen abgebremst und bin dann weitergefahren. Jens fuhr sowieso immer recht dich hinter mir und hat sich wohl ziemlich erschrocken. Denn über Funk kam nur: „Das war gerade brandgefährlich. Du kannst doch nicht einfach bremsen. Da war kein rechts-vor-links.“ Ich weiß nicht, warum ich nicht langsamer fahren soll, wenn ich die Situation nicht sofort einordnen kann. Immer gleich diese Anmache im Ohr. Da krieg ich prompt schlechte Laune.
Der Rest der Fahrt hat dann aber gut geklappt. Wir sind kreuz und quer durch den Sachsenwald gefahren. Von Großensee bis Wentorf haben wir kein langweiliges kleines Dorf ausgelassen. Auf den Landstraßen konnte ich dann auch mal etwas am Fernlicht spielen. Dazwischen immer wieder Landstraße und auf dem Rückweg auch mein erstes Stück Autobahn A1 von Barsbüttel bis nach Stapelfeld. Über Funk bekam ich den Hinweis, dass ich ruhig mal überholen dürfte. Vor mir fuhr auf der rechten Spur ein Laster, also vorsichtig gucken und ab auf die Mittelspur. Dann entschied sich ein zweiter Laster zum überholen, so dass ich wieder einen Brummi vor der Nase hatte. Der Hinweis über Funk war wegen des Fahrtwindes kaum zu verstehen, aber ich habe mal angenommen, dass ich noch einen Überholversuch unternehmen sollte. Also musste ich wohl oder übel links rüber. Ich hab mehrfach geguckt, um ganz sicher zu sein und hab dann ordentlich am Gas gezogen, um möglichst schnell an den Lastern vorbeizukommen. Dabei musste ich merken, dass ich schon bei Tempo 140 auf dem Tacho war, obwohl nur 120 erlaubt war. Anscheinend kam Jens nicht schnell genug hinterher, so dass ich dafür keine Kritik bekommen habe. 🙂
Als wir wieder zurück in Hamburg sind, fahren wir noch etwas durch die 30er-Zonen und natürlich fehlte auch nicht das obligatorische Linksabbiegen am Ende einer Einbahnstraße. Man kann ja die Fetische der Fahrlehrer und Prüfer. Nach 2 Stunden und 15 Minuten waren wir wieder in der Fahrschule. Irgendwie hatte ich mir eine leichte Erkältung eingefangen und fand die Fahrt heute doppelt anstrengend. Also war ich ganz froh, endlich wieder vom Bock runter zu kommen. „Du bist ja ganz schön flott gefahren.„, meint Jens. „Wieso? War ich zu schnell?“ „Nein.“ „Hab ich irgendwo ein Schild übersehen?“ „Nö.“ „War es irgendwo gefährlich?“ „Nein. Ich wollte das nur mal so sagen.“ Aha. Kommt sein öddeliger Golf doch nicht damit klar, wenn ich bei einer Kreuzung zu einer außerortlichen Landstraße zügig hochschalte und er im Rückspiegel immer kleiner wird? 🙂 Ich bin nur so gefahren, wie es erlaubt war und wie ich es für sicher gehalten habe. Und bin finde nicht, dass ich riskant fahre. Wie ich ihn einschätze, heizt er auch wie ein Gestörter auf zwei Rädern durch’s Gelände. Ich werde es erleben, denn im September werde ich zu einer Ausfahrt eingeladen. Bin mal gespannt, was da abgeht.
Das ewige Rumgeeier zwischen Tempo 30 und 120 mit tausenden von Schildern und versteckten Vorfahrten macht auf Dauer total kirre. Mal ist 30 bei Nässe. Mal ist 30 zwischen 12 und 17 Uhr. Mal ist 30 zwischen 6 und 22 Uhr. Mal ist 30 nur über eine Strecke von 200 Metern und wird nicht explizit aufgehoben. Und mal hängen die freundlichen Eingeborenen selbstgemalte „30“-Schilder in die Bäume, obwohl eigentlich 50 erlaubt ist. Fies war auch eine automatische elektronische Geschwindigkeitsanzeige, die mich im normalen 50er-Bereich verwirrte: „Sie fahren 48 km/h. Langsam fahren!“ Verdammt, ist hier eine 30er-Zone? Nö, alles okay.
In gut einer Woche ist Prüfung, also hab ich Jens mal vorsichtig gefragt, ob ich das schaffen könnte. Immerhin bin ich bei zwei Testfahrten schon virtuell durchgefallen und mir selbst nicht mehr sicher. Aber er ist ganz zuversichtlich, dass ich es schaffe. Eigentlich komme ich auch ganz gut zurecht. Na, gut, bestimmt würde ich nicht korrekt reagieren, wenn ich plötzlich ausweichen müsste. Das sind Erfahrungswerte, die ich erst mit der Zeit ins Hirn kriegen muss. Aber das ist auch nicht schlimm. Wichtiger ist, dass ich es schaffe, meine Sinne 45 Minuten lang während der Prüfung klar zu halten. Aber je mehr ich das Motorrad beherrsche, um so mehr Gedankenenergie ist für die Beobachtung von Schildern verfügbar. Und wie sich heute gezeigt hat, ist das auch dringend nötig.
Und ich habe meinen Prüfungstermin bekommen. 🙂